Aus eins mach zwei – Neuer Anlauf des Bundestages für das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern (Hinweisgeberschutzgesetz)

Bereits im letzten Jahr haben wir über die längst überfällige Umsetzung der schon 2019 erlassenen „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ ((EU) 2019/1937; umgangssprachliche „EU-Whistleblowing-Richtlinie“ (WBR) berichtet. Der europäische Gesetzgeber hat damit einen gemeinsamen Mindeststandard für den Schutz von Hinweisgebern in der europäischen Union vorgegeben und sämtliche Unternehmen der Privatwirtschaft ab 50 Angestellten oder mit einem Umsatz in Höhe von min. 10 Mio. Euro/Jahr sowie Kommunen ab 10.000 Einwohnern verpflichtet, einen sog. „internen Hinweisgeberkanal“ einzurichten und zu betreiben.

Nationales Hinweisgeberschutzgesetz die Erste

Da die Umsetzungsfrist der Richtlinie bereits am 18. Dezember 2021 abgelaufen ist, wurde von Seiten der EU nunmehr gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Im Juli 2022 war schließlich ein Regierungsentwurf für ein nationales Hinweisgeberschutzgesetzes veröffentlicht (Bt-Drs. 20/3442) und im Dezember 2022 auch vom Bundestag gebilligt worden. Anfang 2023 ist das Gesetzesvorhaben allerdings im Bundesrat am Widerstand der Union gescheitert (BT-Drs. 20/5688) Die Länder mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU hatten ihre Zustimmung für das Gesetz verweigert und dies insbesondere mit einer zu starken Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen begründet. Damit kann das Hinweisgeberschutzgesetz nicht wie geplant im April 2023 in Kraft treten.

Nationales Hinweisgeberschutzgesetz die Zweite – Aufspaltung des Gesetzesentwurfs

Nunmehr unternehmen die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP einen zweiten Anlauf. Sie haben das Vorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten, von denen nach ihrer Auffassung nur einer im Bundesrat zustimmungspflichtig ist.

  • Ziel ist unverändert, dass Hinweisgeber auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden, sogenannte Whistleblower, einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Missstände aufmerksam machen können. Der jetzt neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (BT-Drs. 20/5992) ist weitgehend identisch mit dem am 16. Dezember 2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/4909).
  • Allerdings nimmt es ausdrücklich Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus seinem Anwendungsbereich aus. Erst ein zweites Gesetz („Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“) soll den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes nachträglich auch auf Beamte der Länder und Kommunen erweitern.

Beschäftigungsgeber müssen handeln

Kern des Gesetzentwurfes ist unverändert die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können. Diese sollen auch anonyme Meldungen bearbeiten und dazu eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen ermöglichen. Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Hinweisgeber, die Repressalien erleiden, sollen eine Entschädigung in Geld auch dann verlangen können, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt.

Indem sie das Gesetzesvorhaben aufspaltet, wendet die -Koalition einen – rechtlich nicht unumstrittenen – Kniff zur Umgehung des Zustimmungserfordernisses des Bundesrats und zum Verzicht der Anrufung des Vermittlungsausschusses an. Die Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes („Teil 1“) sollen auf diese Weise noch im ersten Halbjahr 2023 verabschiedet werden. Die erste Lesung zum neuen Gesetzesentwurf im Bundestag hat bereits stattgefunden. Die für den 30. März 2023 vorgesehenen Lesungen zwei und drei wurden angesichts der an der Vorgehensweise laut werdenden Kritik zunächst aufgeschoben.

Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeitende beschäftigen und damit unter das Hinweisgeberschutzgesetz fallen werden, müssen sich gleichwohl mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen. Zwar wird für Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Arbeitnehmenden beschäftigen, noch eine „Schonfrist“ hinsichtlich der Umsetzung bis zum 17. Dezember 2023 bestehen. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist aber komplex, sodass entsprechende Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden sollten. Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmenden müssen dagegen unverzüglich handeln, da das Hinweisgeberschutzgesetz („Teil 1“) schon einen Monat nach Verkündung in Kraft treten und damit für sie gelten wird.

Wir beraten Sie gerne zur Umsetzung dieser Anforderungen.

Ihre Ansprechpartner sind: Franziska Kohl, LL.M. & Maximilian Decker

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