Die Sandalen des deutschen Unternehmens Birkenstock sind mittlerweile ein internationaler Klassiker, was das Schuhwerk betrifft. Doch zählen die Schuhe auch schon als wirkliches Kunstobjekt?
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 20.02.2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24 nun endgültig entschieden.
Seit dem Jahr 1963 gibt es das erste Modell der Sandale. Doch zunächst fehlte es dem Schuh an Popularität. Erst in den 70er-Jahren gewann die Sandale an Beliebtheit; vorläufig im professionellen Kontext durch Medizinerberufe und dann später vor allem auch durch die Hippie-Bewegung in den USA. In den 90er-Jahren wurden Birkenstocks erstmals mit der Modewelt in Verbindung gesetzt. 1990 wurden in dem Modemagazin „The Face“ Bilder des bekannten Models Kate Moss veröffentlicht, auf denen sie weiße Birkenstock-Sandalen trug. So gelang es Birkenstock, sich von dem „Öko-Schuh“-Ruf zu entfernen und zum regelrechten Modeklassiker aufzusteigen.
Mit steigender Beliebtheit dieser Art von Schuhen wurden diese auch in ähnlicher Form von Konkurrenzunternehmen hergestellt, so dass sich heutzutage zahlreiche Doppelgänger der Sandalen wiederfinden.
Beginn des Rechtsstreits
2023 ging Birkenstock gerichtlich gegen drei konkurrierende Unternehmen mit der Begründung vor, die Schuhe seien urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetzes (UrhG) und dürften folglich nur von Birkenstock und von ihnen lizensierten Anbietern verkauft werden. Die Konkurrenzunternehmen sollten die Modelle vom Markt nehmen und die weitere Produktion sofort einstellen. Zudem forderte Birkenstock Schadensersatz.
Das Landesgericht (LG) Köln entschied am 11.05.2023 – 14 O 39/22 zugunsten von Birkenstock und gab dem Hersteller der Sandale das Urheberrecht i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG für die Modelle „Arizona“, „Madrid“, „Gizeh“ und „Boston“.
Berufung gegen das Urteil des LG Köln
Gegen das Urteil legten die drei Unternehmen beim Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Erfolg Berufung ein. Das Gericht stimmte dem Urteil des LG Köln nicht zu, sondern entschied am 26.01.2024 – 6 U 86/23, dass die Birkenstock-Sandalen nicht die nötigen Anforderungen eines Werkes der angewandten Kunst erfüllen. Dass die Sandalen ein ikonischer Designklassiker sind, reiche nicht für den urheberrechtlichen Schutz aus.
Werke der bildenden Kunst, einschließlich solcher der angewandten und der Baukunst sowie deren Entwürfe, fallen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG unter die urheberrechtliche Schutzkategorie, sofern sie persönliche, geistige Schöpfungen i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG sind. Eine solche, eigene geistige Schöpfung und künstlerische Gestaltung konnte das OLG Köln im Falle der Birkenstock-Sandalen gerade nicht erkennen.
Denn Karl Birkenstock, der Schöpfer der ikonischen Modelle, orientierte sich bei der Umsetzung seiner Vision, eine Sandale aus Sohle und Schaft zu entwerfen, an dem bereits Bekannten. Er habe sich mit seinen Sandalen auf das handwerkliche Niveau beschränkt, welches er als Orthopädie-Schumacher gelernt habe. Deshalb seien die Sandalen nicht als Kunst, sondern als reines Design einzuordnen.
Revision gegen das Urteil des OLG Köln
Daraufhin legte Birkenstock Revision beim BGH ein, die jedoch erfolglos blieb.
Wie das OLG teilte auch der BGH die Auffassung, dass es sich bei den Birkenstock-Sandalen nicht um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG, sondern nur um reines Design handelt.
Das OLG habe zu Recht angenommen, dass für die Erteilung des Urheberschutzes, ein in künstlerischer Weise genutzter Gestaltungsfreiraum vorhanden sein muss. Ein kreatives und freies Arbeiten sei unmöglich, wenn technische Notwendigkeiten, Regeln oder andere Einschränkungen die Gestaltung bestimmen. Urheberrechtsschutz könne nicht auf primär handwerkliche Tätigkeiten gewährt werden. Es muss ein gewisser Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt, um den Urheberrechtsschutz zu gewährleisten.
Diesen künstlerischen Gestaltungsspielraum habe Birkenstock nach Ansicht des BGH jedoch nicht ausreichend genutzt, um den Sandalen als Werk der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz zu erteilen.
Warum wollte Birkenstock unbedingt jetzt den Urheberschutz?
Der Urheberrechtsschutz gilt, anders als der Designschutz, noch 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers. Karl Birkenstock, der im Jahr 1936 geboren wurde und noch lebt, hätte seine Sandalen gerne weiterhin vor Nachahmern geschützt. Der Designschutz ist nämlich für die betroffenen Modelle, die in den 70er-Jahren geschaffen wurden, bereits abgelaufen.
Der juristische Unterschied zwischen Design und Kunst besteht darin, dass sich Design aus Form, Material und Erscheinungsbild ergibt und eine Gebrauchsfunktion erfüllt. Bei Werken der angewandten Kunst muss die persönliche künstlerische Schöpfungskraft sichtbar werden, und die Gestaltung muss mehr umfassen als nur eine funktionale Gestaltung; ein Umstand, der für die Birkenstock-Sandalen jetzt endgültig durch den BGH verneint wurde.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Stefan Bischoff & Alexander Harfousch, LL.M.