Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Rechtsprechung zu wasserwirtschaftlichen Unterhaltungspflichten geändert und weiterentwickelt. Nach bisheriger Rechtsprechung bestand die Unterhaltungspflicht nur im Interesse der Allgemeinheit, so dass ihr kein drittschützender Charakter zukam. Dritte, wie Gewässeranlieger, hatten danach keinen Anspruch auf Erfüllung der Unterhaltungspflicht oder auf Vornahme bestimmter Unterhaltungsarbeiten.
Mit dem Urteil vom 01.12.2022 hat der BGH entschieden, dass eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht (hier § 39 WHG) drittschützenden Charakter hat, wenn sie einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt. Eine Verletzung dieser Pflicht kann insbesondere Amtshaftungsansprüche gegen öffentlich-rechtliche Unterhaltungsträger begründen.
In dem konkret entschiedenen Fall ging es um einen Bach innerhalb einer Ortschaft, der aufgrund eines Starkregenereignisses über die Ufer trat und auf dem Grundstück des Klägers einen Schaden von ca. 20.000 Euro verursachte. Die Klage richtete sich gegen den für das Gewässer zuständigen Unterhaltungsverband. Dieser habe den entsprechenden Graben seit Jahren nicht unterhalten und Gewässerschauen hätten nicht stattgefunden, dabei hätte erkannt werden können, dass Rohrdurchlässe auf dem Nachbargrundstück zu klein dimensioniert gewesen seien.
Nach dem BGH ist der Unterhaltungsverband grundsätzlich zu einer sogenannten Gewässerschau verpflichtet. Der Einzelne hat aber keinen Anspruch gegen einen Unterhaltungspflichtigen auf Erfüllung seiner Unterhaltungspflichten oder die Vornahme etwaiger Handlungen, damit war auch ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen. Dies ist nun anders, wenn die entsprechende öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht „einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt“.
Der Anspruch kommt etwa in Betracht, wenn der Gewässerunterhaltungspflichtige eine Gefahrenquelle „auf Anhieb“ hätte erkennen können und diese in der Folge weder beseitigt noch zumindest etwaige Verantwortliche auf die Gefahrenquelle hinweist. Die Häufigkeit einer Gewässerschau richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.
Gewässerunterhaltungspflichtige sollten daher regelmäßige Gewässerschauen durchführen und dokumentieren, um so Amtshaftungsansprüche zur vermeiden. Gefahrenquellen außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches sind mit aufzunehmen, zuständige Dritten bzw. die zuständige Wasserbehörde sind auf die Gefahrenquelle hinzuweisen.
Der BGH hat nicht entschieden, ob der drittschützende Charakter der Unterhaltungspflicht einen Anspruch eines Anliegers auf (bestimmte) Unterhaltungsmaßnahmen begründen kann. Hierzu bleibt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu etwaigen Klagen von Anliegern abzuwarten. Bisher ist ein solcher Anspruch in der Regel abgelehnt worden.
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Die vollständige Entscheidung des BGH finden Sie hier.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Karsten Keller, Dr. Till Elgeti, Dr. Corinna Durinke