Entwurf der neuen Kommunalabwasserrichtlinie veröffentlicht

Am 26.10.2022 legte die Europäische Kommission den Entwurf für eine neue Kommunalabwasserrichtlinie vor. Die aktuell geltende Richtlinie (Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser, RL 91/271/EWG) gilt seit 1991. Sie betrifft das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen. Ihr Ziel ist es, die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen des Abwassers – etwa durch unzureichende Reinigung vor Einleitung – zu schützen. Der nun vorliegende Novellierungsvorschlag stellt eine umfassende Überarbeitung der bisherigen Richtlinie unter Verschärfung ihrer Anforderungen dar. Er steht in einem engen Zusammenhang mit dem European Green Deal und der darin enthaltenen Null-Schadstoff-Version für 2050. Die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sollen auf ein Minimum begrenzt werden, das für die Gesundheit und die natürlichen Ökosysteme nicht mehr schädlich ist.

Wesentliche Änderungsvorschläge gegenüber der bisher geltenden Richtlinie sind:

  • das Erfordernis einer sogenannten 4. Reinigungsstufe bei Kläranlagen ab einer gewissen Ausbaugröße,
  • die Erweiterung der Herstellerverantwortung als Umsetzung des Verursacherprinzips zur Finanzierung insbesondere dieser Maßnahmen,
  • die Zielvorgabe der Energieneutralität von Kläranlagen bis 2040;
  • Verschärfung verschiedener bisher geltender Parameter,
  • Anforderungen an Misch- und Niederschlagswasserbehandlung sowie
  • Einführung von Abwassermanagementplänen.

Die sogenannte 4. Reinigungsstufe erfolgt nach den schon bestehenden mechanischen und biologischen Behandlungsschritten mit Blick auf die sogenannten Spurenstoffe (z. B. Arzneimittel, Kosmetikprodukte und Reinigungsmittel). Sie soll bis zum 31.12.2035 für Kläranlagen mit EW ≥ 100 000 verpflichtend werden. Bis zum 31.12.2040 soll die 4. Reinigungsstufe für alle Gemeinden mit EW zwischen 10 000 und 100 000 verpflichtend sein, deren Abwasser nach der Reinigung in bestimmte Gebiete eingeleitet wird (z. B. Badegewässer) und damit ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellt. Dabei sieht die Richtlinie eine Reduktionsrate von mindestens 80 % für bestimmte Stoffe vor. Die Richtline erweitert dann die Verantwortung der Hersteller von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und Kosmetikprodukte. Der Umfang des individuellen Beitrags der Hersteller hängt von Quantität und Toxizität der auf den Markt gebrachten Produkte ab, sodass neben der Finanzierung der besseren Abwasserbehandlung auch ein Anreiz dahingehend geschaffen werden soll, im Produktentwicklungsbereich die Umweltverträglichkeit zu optimieren.

Die Abwasserbehandlung gehört zu den größten Energieverbrauchern im öffentlichen Sektor. Die jährliche Menge an Erneuerbaren Energien, die auf Kläranlagen (≥ 10 000 EW) produziert wird, soll bis Ende 2030 50 % des Energiebedarfs der Kläranlagen decken. Dieser Anteil soll sich schrittweise (bis Ende 2035 75 %) auf 100 % bis Ende 2040 erhöhen. Ziel der Regelungen ist die Senkung der Treibhausgasemissionen im Bereich Abwasserreinigung um mehr als 60 % gegenüber 1990.

Verschiedene bisher geltende Parameter für die Einleitung von Abwasser in Gewässer werden verschärft, z.B. für Phosphor oder Stickstoff. Für Einzugsgebiete mit mehr als 100.000 Einwohnergleichwerten (bzw. 10.000 EGW unter bestimmten Umständen) soll es integrierte Abwasserbeseitigungsmanagementpläne geben. Unter anderem werden hier auch Anforderungen an Mischwasser- und Regenüberläufe gestellt. Diese Pläne sollen alle fünf Jahre überarbeitet werden.

Ein weiteres Element ist die Untersuchung des Abwassers auf bestimmte Gesundheitsparameter. Damit sollen regionale Eintrags-Hot-Spots von Krankheitserregern schneller identifiziert und Mutationen frühzeitig erkannt werden.

Des Weiteren wurden neue Überwachungsanforderungen in Bezug auf Mikroplastik festgelegt. Gleichzeitig sollen bisherige Regelungen nach dem Entwurf verschärft werden. So gilt die Verpflichtung zur Wasseraufbereitung laut Entwurfstext anstatt für Gemeinden mit 2000 Einwohnern künftig auch für kleinere Gemeinden mit 1000 Einwohnern. Die in Deutschland ab 2029 geltende Phosphorrückgewinnungspflicht gem. der Abfallklärschlammverordnung wird nicht aufgenommen, jedoch soll zukünftig die Kommission dazu befugt werden, Mindestrückgewinnungsraten für Phosphor und Stickstoff festzulegen.

Der Entwurfsfassung ging eine Evaluation aus 2019 und eine Online-Konsultation voraus, an der sich die jeweiligen Fachverbände beteiligen konnten. Nach der Vorstellung des Entwurfs seitens der Kommission folgt nun das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, an dem das Europäische Parlament und der Rat beteiligt sind. Nach Annahme des Entwurfs sollen die verschiedenen Regelungen je nach Zielvorgabe 2030, 2035, 2040 und 2050 in Kraft treten.

Es bleibt nun spannend, ob und welche Änderungen nun im Rahmen des parlamentarischen Prozesses erfolgen werden. Wir werden Ihnen in unserem Coffeetalk am 17.01.2023 einen ersten Überblick geben.

Der Entwurfstext und der Anhang kann hier heruntergeladen werden. Sie sind bisher nur in Englisch vorhanden.

Ansprechpartner: Dr. Till Elgeti, Dr. Corinna Durinke, Dr. Karsten Keller

Coffee-Talk