Hinweisgeberschutzgesetz nach langem Ringen endlich beschlossen

Die wichtigsten Neuerungen im Überblick

Nach zähen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat am 11. und 12. Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Dieses wird voraussichtlich Ende Juni 2023 in Kraft treten. Die wichtigsten Änderungen, die sich im Vermittlungsausschuss im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf ergeben haben, fassen wir für Sie zusammen.

Wer ist betroffen?

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes wird eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sogenannte ,,interne Meldestelle“) begründet. Um ein weitgehendes und einheitliches Schutzniveau zu erreichten, wird der Kreis der sog. „Beschäftigungsgeber“ durch den Gesetzgeber weit gefasst. Dies sind 

  • juristische Personen des Privatrechts wie der eingetragene Verein, die eingetragene Genossenschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts;
  • juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften sowie Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene;
  • rechtsfähige Personengesellschaften und 
  • sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen.

Im Einzelnen ergeben sich nunmehr folgende Handlungspflichten:

Beschäftigungsgeber (Muttergesellschaft)TochtergesellschaftAnforderungen an die interne Meldestelle und Umsetzungsfrist
< 50 Beschäftigte*Keine Verpflichtung zur Einrichtung
50 – 249 Beschäftigte bei privaten BeschäftigungsgebernPflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle ab dem 17.12.2023 gemeinsame Meldestelle mit anderen Unternehmen möglich
50 – 249 Beschäftigte Bei öffentlichen Beschäftigungsgebern** Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also Mitte Juni 2023 gemeinsame Meldestelle mit anderen Unternehmen ist nicht möglich (vgl. § 14 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 10 HinSchG)
> 249 BeschäftigteTochtergesellschaften mit > 50 BeschäftigtenPflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle für die Muttergesellschaft sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also Mitte Juni 2023 Tochtergesellschaften können an dem Verfahren der Muttergesellschaft teilhaben (sog. Konzernlösung)
> 249 Beschäftigte                             Tochtergesellschaften mit > 249 BeschäftigtenPflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle für die Muttergesellschaft sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also Mitte Juni 2023 Die großen Tochtergesellschaften benötigen ein eigenes System, können aber die Muttergesellschaft mit dem Betrieb ihrer internen Meldestelle beauftragen. Im Falle der Beauftragung muss die Hinweisbearbeitung bei der Tochtergesellschaft erfolgen (Schutz der Vertraulichkeit).

* Es gilt der europäische Arbeitnehmerbegriff, der auch Bundesbeamte, Richter, arbeitnehmerähnliche Personen, Auszubildende, Praktikanten und Organmitglieder umfasst (vgl. auch § 3 Abs. 8 HinSchG).

** Öffentliche Beschäftigungsgeber sind juristische Personen öffentlichen Rechts und solche Beschäftigungsgeber, die im Eigentum oder unter Kontrolle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen (vgl. auch § 3 Abs. 10 HinSchG).

Individuelle Ausnahmeregelungen für kleine Kommunen möglich

Im jeweiligen Landesrecht kann vorgesehen werden, dass Gemeinden und Gemeindeverbänden mit weniger als 10.000 Einwohnern von der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ausgenommen werden. Hier werden also zeitnah noch Landesgesetze zu erlassen sein (vgl. Hinweisgeberschutzgesetz: Bund geht neuen Weg für schnellere Umsetzung – Kommunen in NRW).

Änderungen im Rahmen des Vermittlungsausschusses

Dass es nun am Ende doch noch schnell ging, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einige signifikante Änderungen an dem ursprünglichen Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes gab (siehe zur Beschlussvorlage des Vermittlungsausschusses BT-Drs. 20/6700).

  • Zunächst wurde der Anwendungsbereich verengt: Bereits nach altem Entwurf war erforderlich, dass die Rechtsverstöße im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit begangen wurden. Nun ist es darüber hinaus erforderlich, dass der Verstoß, um den es im Einzelfall geht, beim Beschäftigungsgeber oder bei einer anderen Stelle mit denen der Hinweisgeber aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Kontakt steht, begangen wurde.
  • Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass die internen Meldekanäle so gestaltet sein müssen, dass die Abgabe anonymer Meldungen möglich ist. Diese Pflicht besteht nun nicht mehr. Es ist lediglich vorgesehen, dass die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten „sollte“. Dies stellt eine Weichzeichnung dar.
  • Andererseits wurde aber auch eine Pflicht der Hinweisgeber, sich zuerst an interne Meldestellen zu wenden (Vorrang der internen Meldung) nicht umgesetzt. Das Gesetz enthält nun die Regelung, dass die internen Meldewege bevorzugt werden sollen, soweit wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und die Hinweisgeber keine Repressalien zu befürchten haben. In der Sache verbleibt also ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldestelle.
  • Auch bei den Aufbewahrungsfristen gibt es Änderungen: Zunächst war vorgesehen, dass die vorgeschriebene Dokumentation der Meldung drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zwingend zu löschen ist. Nun ist auch eine Aufbewahrung über 3 Jahre nach Abschluss des Verfahrens hinaus möglich, sofern dies im Einzelfall erforderlich und verhältnismäßig ist.
  • Eine kleine Anpassung des ursprünglichen Entwurfs erfolgte ferner bei der Beweislastumkehr: Diese bildet einen Schwerpunkt des Hinweisgeberschutzgesetzes. Vorgesehen ist eine Beweislastumkehr, wenn der Hinweisgeber eine Benachteiligung erfährt. Der Arbeitgeber kann diese widerlegen, indem er beweist, dass die Maßnahme nicht als Reaktion auf die Meldung des Hinweisgebers, sondern aus anderen Gründen erfolgt ist. Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht nun vor, dass diese Vermutung nur dann zum Tragen kommt, wenn sich der Hinweisgeber ausdrücklich hierauf beruft.
  • Mit dem Entfallen des Schmerzensgeldanspruchs bei einer erlittenen Repressalie ist ein weiterer wesentlicher Punkt des Ursprungsentwurfs von einer Änderung betroffen. Es verbleibt daher lediglich ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz.
  • Abschließend wurde der Bußgeldrahmen für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bei Verstößen gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle von bisher max. 100.000 EUR auf max. 50.000 EUR abgesenkt. Die Bußgeldregelung wird sechs Monate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten (vgl. § 42 Abs. 2 HinSchG).

Wie umsetzen?

Eine interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem eine oder mehrere bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit beschäftigte Person/en (Arbeitseinheit) mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut wird/werden. Gem. § 15 HinSchG müssen die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit jedoch unabhängig sein. Sie können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle zwar andere Aufgaben und Pflichten für den Beschäftigungsgeber wahrnehmen. Es ist dabei allerdings sicherzustellen, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen. Darüber hinaus ist der Beschäftigungsgeber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.

Um den Initialaufwand zu senken und den Beschäftigungsgeber zu entlasten, kann alterativ auch ein fachkundiger und externer Dritter (wie etwa eine anwaltliche Ombudsperson) mit der Aufgabe der internen Meldestelle betraut werden.

Fazit

Für öffentliche wie private Beschäftigungsgeber wird es nun höchste Zeit, eine interne Meldestelle einzurichten oder vorhandene Strukturen auf Regelkonformität zu überprüfen. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist komplex, sodass entsprechende Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden sollten.

Bei Gesetzesverstößen drohen nicht nur empfindliche Bußgelder, sondern es wird auch riskiert, dass sich Hinweisgeber an externe Stellen wenden und somit die Gelegenheit zur internen Aufarbeitung etwaiger Compliance-Verstöße versäumt wird.

Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.

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