Seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar dieses Jahres zeigt die Entwicklung auf den Energiemärkten, dass die Preise zum Teil stark angestiegen sind und sich – volatil – auf einem deutlich höheren Niveau einpendeln werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies gilt sowohl für den Strom- als auch den Gaspreis. Diese Entwicklung stellt nicht nur gasverbrauchende Unternehmen vor ungeahnte Herausforderungen. Die Kosten für die Gasversorgung übersteigen vielerorts die Einnahmen aus der Produktion und bedrohen damit ganze Lieferketten.
Umso wichtiger ist es für Unternehmen Möglichkeiten für einen Brennstoffwechsel von Gas auf andere Energieträger wie Öl oder LNG zu prüfen und kurzfristig umsetzen zu können. Der Gesetzgeber hat den Handlungsdruck erkannt und aktuell mit zahlreichen Gesetzesänderungen zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren Möglichkeiten geschaffen, mit denen das strikte Genehmigungsregime für Anpassungen der Energieversorgung bei immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen erleichtert werden soll. Bislang war ein beabsichtigter Brennstoffwechsel für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen nicht ohne weiteres möglich, sondern bedurfte – soweit nicht nur ein zeitweiser Betrieb bis zu 12 Monaten geplant war – in der Regel einer Anzeige- (§ 15 BImSchG) oder sogar eines Änderungsgenehmigungsverfahrens (§ 16 BImSchG) und der geänderte Anlagenbetrieb musste zudem den geltenden Anforderungen und Grenzwerten etwa aus der 13., 44. BImSchV oder der TA Luft genügen.
Um die verfahrensrechtlichen und betrieblichen Anforderungen für einen kurzfristigen Brennstoffwechsel zu ermöglichen, sind neben bereits erfolgten Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nunmehr weitere Änderungen durch die Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden und treten mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Angesichts der weiter angespannten Lage am Gasmarkt ist zu empfehlen, dass sich betroffene Unternehmen jetzt mit den Möglichkeiten eines Brennstoffwechsels auseinandersetzen.
Abweichungen von der 13. und 44. BImSchV
Bereits seit dem 12.07.2022 sind Möglichkeiten für emissionsseitige Erleichterungen in den §§ 31a bis 31d BImSchG umgesetzt. Danach sind Abweichungen zur 13. und 44. BImSchV unter anderem für Feuerungsanlagen möglich, in denen nur gasförmiger Brennstoff verfeuert wird. Die Regelungen ermöglichen im Wesentlichen Abweichungen von Emissionsgrenzwerten dieser Verordnungen, soweit eine ernste Mangellage oder plötzliche Unterbrechungen der Gasversorgung vorliegen. Beides ist nach der Gesetzesbegründung zu den Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgrund der Ausrufung der Alarmstufe im Rahmen des Notfallplans Gas gegeben und muss nicht erneut nachgewiesen werden. Für die Beantragung der Abweichung genügt ein einfacher Antrag des Anlagenbetreibers in dem dargelegt wird, dass bestimmte Emissionsgrenzwerte oder Anforderungen nicht eingehalten werden können. Auf dieser Grundlage soll die Genehmigungsbehörde in der Regel eine Abweichung erteilen.
Erleichterungen im Verfahrensrecht und reduzierte Betriebsanforderungen
Bisher war unter anderem nicht eindeutig, inwieweit für Anlagenänderungen im Rahmen einer solchen Abweichung zusätzliche Genehmigungsverfahren notwendig sind. Zudem waren nicht ohne weiteres Abweichungen von den Vorgaben der TA Luft oder TA Lärm möglich. Auf diese Defizite für unkomplizierte und schnelle Umstellungen haben Unternehmen und Verbände fortdauernd hingewiesen, mit Erfolg. Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt treten noch im Oktober 2022 die inhaltlich teilweise weitreichenden Änderungen des Immissionsschutzrechts zur Bewältigung der Gasmangellage in Kraft. Diese betreffen unter anderem die Schwellenwerterhöhung in der 4. BImSchV für Anlagen zur Lagerung bestimmter entzündlicher Gase von 30 auf 50 Tonnen Fassungsvermögen. Dadurch ist nunmehr für diese Anlagen statt eines förmlichen Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen. Das betrifft vor allen Dingen Lagerbehälter mit Erdgas, Flüssiggas oder LNG. Weiterhin sind zusätzliche Ausnahmemöglichkeiten für Ableitbedingungen nach der 44. BImSchV sowie Ausnahmemöglichkeiten von bestimmten Anforderungen nach der 30. BImSchV vorgesehen.
Darüber hinaus sind partielle Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit dem Ziel beschlossen worden befristete Verfahrenserleichterungen zu schaffen, um kurze Verfahrensdauern zu ermöglichen. Dazu sind Sonderregelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit, Verfahrenserleichterungen sowie Abweichungsmöglichkeiten zur TA Luft und TA Lärm getroffen worden. So kann u. a. zukünftig eine Änderungsgenehmigung oder -anzeige bei der Beantragung bestimmter Ausnahmen (z. B. Abweichung von Emissionsgrenzwerten) durch Anlagenbetreiber entbehrlich sein (§ 31g neue Fassung) und es sind Abweichungen von bestimmten Anforderungen der TA-Luft und TA Lärm ohne Anzeige oder Änderungsgenehmigung (§ 31i und 31j neue Fassung) möglich.
Des Weiteren kann die Zulassung des vorzeitigen Beginns bei einer Gasmangellage unter erleichterten Bedingungen erfolgen (§ 31e neue Fassung). Ein vorzeitiger Beginn kann unter bestimmten Bedingungen bereits vor dem Vorliegen vollständiger Antragsunterlagen genehmigt werden. Anders als bisher kann im Rahmen einer Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG zukünftig in diesen Fällen nicht nur die Errichtung einer Anlage zugelassen werden, sondern auch der Anlagenbetrieb. Dies dürfte eine erhebliche Hilfestellung für einen schnellen Brennstoffwechsel sein. Weiterhin stellt der Gesetzgeber nunmehr klar, dass für eine Zulassung von Ausnahmen im Zusammenhang mit dem Brennstoffwechsel weder eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG noch eine Anzeige nach § 15 BImSchG erforderlich ist.
Weitere Regelungen und Erleichterungen sind für die Lagerung und den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und der Betriebssicherheitsverordnung geplant, die nach der bereits erfolgten Zustimmung des Bundesrates nun noch vom Bundeskabinett beschlossen werden müssen, bevor die Verordnung dann mit Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten wird.
Unternehmen sollten sich mit den Neureglungen und Erleichterungen auseinandersetzen, um frühzeitig die erforderlichen Anträge stellen zu können.
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