Seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar dieses Jahres, hat sich der Gaspreis in Europa von etwa 90 € pro MWh auf über 300 € pro MWh mehr als verdreifacht. Zusätzlich zu dieser Gaspreisentwicklung droht für Unternehmen und Verbraucher die angekündigte Gasumlage (siehe hierzu unseren Blog Artikel). Dies stellt nicht nur gasverbrauchende Unternehmen vor ungeahnte Herausforderungen. Die Kosten für die Gasversorgung übersteigen vielerorts die Einnahmen aus der Produktion und bedrohen damit ganze Lieferketten.
Umso wichtiger ist es für Unternehmen Möglichkeiten für einen Brennstoffwechsel von Gas auf andere Energieträger wie Öl oder LNG zu prüfen und kurzfristig umsetzen zu können. Für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen ist dies allerdings derzeit nicht ohne weiteres möglich. Soweit nicht nur ein zeitweiser Betrieb bis zu 12 Monaten geplant ist, sind in der Regel ein Anzeige- (§ 15 BImSchG) oder sogar ein Änderungsgenehmigungsverfahren (§ 16 BImSchG) erforderlich. Der mit dem Brennstoffwechsel geänderte Anlagenbetrieb hat zudem den geltenden Anforderungen und Grenzwerten etwa aus der 13., 44. BImSchV oder der TA Luft zu genügen.
Um die verfahrensrechtlichen und betrieblichen Anforderungen für einen kurzfristigen Brennstoffwechsel zu ermöglichen, sind bereits Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes umgesetzt und weitere Änderungen aktuell durch das Bundeskabinett beschlossen worden. Diese werden nach Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages voraussichtlich im Oktober in Kraft treten. Angesichts der weiter angespannten Lage am Gasmarkt und einer etwaigen Gasumlage sollten sich betroffene Unternehmen jetzt mit den Möglichkeiten eines Brennstoffwechsels auseinandersetzen.
Abweichungen von der 13. und 44. BImSchV
Seit dem 12.07.2022 sind Möglichkeiten für emissionsseitige Erleichterungen in den §§ 31a bis 31d BImSchG umgesetzt. Danach sind Abweichungen zur 13. und 44. BImSchV unter anderem für Feuerungsanlagen möglich, in denen nur gasförmiger Brennstoff verfeuert wird. Die Regelungen ermöglichen im Wesentlichen Abweichungen von Emissionsgrenzwerten dieser Verordnungen, soweit eine ernste Mangellage oder plötzliche Unterbrechungen der Gasversorgung vorliegen. Beides ist nach der Gesetzesbegründung zu den Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgrund der Ausrufung der Alarmstufe im Rahmen des Notfallplans Gas gegeben und muss nicht erneut nachgewiesen werden. Für die Beantragung der Abweichung genügt ein einfacher Antrag des Anlagenbetreibers in dem dargelegt wird, dass bestimmte Emissionsgrenzwerte oder Anforderungen nicht eingehalten werden können. Auf dieser Grundlage soll die Genehmigungsbehörde in der Regel eine Abweichung erteilen.
Geplante Erleichterungen (Verfahrensrecht und Betriebsanforderungen)
Bisher war unter anderem nicht eindeutig, inwieweit für Anlagenänderungen im Rahmen einer solchen Abweichung zusätzliche Genehmigungsverfahren notwendig sind. Zudem sind nicht ohne weiteres Abweichungen von den Vorgaben der TA Luft oder TA Lärm möglich. Auf diese Defizite für unkomplizierte und schnelle Umstellungen haben Unternehmen und Verbände fortdauernd hingewiesen, mit Erfolg. Mit Kabinettsbeschlüssen vom 31.08.2022 wurden die nunmehr vorliegenden Referentenentwürfe mit inhaltlich weitreichenden Änderungen des Immissionsschutzrechts zur Bewältigung der Gasmangellage auf den Weg gebracht. Diese betreffen unter anderem die Schwellenwerterhöhung in der 4. BImSchV für Anlagen zur Lagerung bestimmter entzündlicher Gase von 30 auf 50 Tonnen Fassungsvermögen. Dadurch soll für diese Anlagen statt eines förmlichen Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung ein vereinfachtes Verfahren zulässig sein. Das betrifft vor allen Dingen Lagerbehälter mit Erdgas, Flüssiggas oder LNG. Weiterhin sollen zusätzliche Ausnahmemöglichkeiten für Ableitbedingungen nach der 44. BImSchV sowie Ausnahmemöglichkeiten von bestimmten Anforderungen nach der 30. BImSchV hinzukommen.
Darüber hinaus sind partielle Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit dem Ziel beschlossen worden befristete Verfahrenserleichterungen zu schaffen, um kurze Verfahrensdauern zu ermöglichen. Dazu sind Sonderregelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit, Verfahrenserleichterungen sowie Abweichungsmöglichkeiten zur TA Luft und TA Lärm vorgesehen. Unter anderem soll die Zulassung vorzeitigen Beginns bei einer Gasmangellage unter erleichterten Bedingungen erfolgen können. Ein vorzeitiger Beginn soll unter bestimmten Bedingungen vor dem Vorliegen vollständiger Antragsunterlagen genehmigt werden können. Anders als bisher kann im Rahmen einer Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG zukünftig in diesen Fällen nicht nur die Errichtung einer Anlage zugelassen werden, sondern auch der Anlagenbetrieb. Dies dürfte eine erhebliche Hilfestellung für einen schnellen Brennstoffwechsel sein. Weiterhin stellt der Gesetzgeber zukünftig klar, dass für eine Zulassung von Ausnahmen im Zusammenhang mit dem Brennstoffwechsel weder eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG noch eine Anzeige nach § 15 BImSchG erforderlich ist. Geplant ist, dass die Sonderregelungen zur Bewältigung einer Gasmangellage für zwei Jahre nach Inkrafttreten gültig bleiben.
Weitere Regelungen und Erleichterungen sind für die Lagerung und den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und der Betriebssicherheitsverordnung geplant.
Unternehmen sollten sich mit den Entwürfen, die wir in der bisherigen Form hier für Sie verlinkt haben (die aktuellsten Fassungen mit zusätzlichen Verbesserungen sind bisher noch nicht veröffentlicht), auseinandersetzen, um frühzeitig die erforderlichen Anträge stellen zu können. Mit Inkrafttreten der geplanten Änderungen ist im Oktober 2022 zu rechnen.
Wir behalten die aktuelle Entwicklung für Sie im Blick. Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.
Ansprechpartner: Dr. Karsten Keller & Dr. Lars Dietrich