OVG Münster: Ziel 10.2.-13 LEP – Entwurf kein Raumordnungsziel

Trotz des umfassenden Systemwechsels bei der Steuerung der Windenergie finden offene Fragen keine Antwort und bleiben erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen. In Zukunft erfolgt in NRW die Planung von Windenergiestandorten auf der Ebene der Regionalplanung. Die Kommunen haben die Möglichkeit, darüber hinaus weitere Flächen durch klassische Positivplanungen festzulegen. Neue Konzentrationszonenplanungen mit Ausschlusswirkung gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB sind nicht mehr möglich. Wirksame Bestandspläne (FNP) laufen mit Inkrafttreten der neuen Regionalpläne aus, wenn diese den für den Teilraum festgelegten Flächenbeitragswert erreichen, spätestens aber am 31.12.2027. Da zahlreiche Kommunen nach den Kriterien der Rechtsprechung keine wirksame Steuerung der Windenergie besitzen und die demnächst steuernden Regionalpläne wohl frühestens 2025 in Kraft treten werden, gibt es eine zeitliche Lücke, in der eine wirksame planerische Steuerung des Zubaus von Windenergieanlagen nicht stattfindet.

Um der hieran geäußerten deutlichen Kritik der Kommunen und ihrer Verbände Rechnung zu tragen, hat das Land in den Entwurf der 2. Änderung des LEP das Ziel 10.2-13 eingefügt, das den Zubau von Windenergieanlagen in der Übergangszeit zwischen dem ursprünglich ins Auge gefassten Inkrafttreten der 2. Änderung des LEP im März 2024 und dem Inkrafttreten der Regionalpläne 2025 steuern soll. Dieses Raumordnungsziel wurde ergänzt durch einen Lenkungserlass vom 21.9.2023, der zumindest auf der Ebene der Kommunen und der Kreise (als Genehmigungsbehörden) für erhebliche Unsicherheit gesorgt hat.

Das Ziel 10.2-13 LEP wäre nach seinem Inkrafttreten ein hartes Raumordnungsziel im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB und damit auch in Genehmigungsverfahren beachtlich geworden. In vielen Kommunen wäre der Zubau nur auf den in Entwürfen von Regionalplänen vorgesehenen Flächen oder in sog. Kernpotenzialflächen möglich gewesen. Welche Rolle ein im Lenkungserlass vorgesehenes gemeindliches Einvernehmen oder die im Raumordnungsziel erwähnte anderweitige Wahrung des Steuerungsziels spielen sollte, war unklar. Es war schon nicht erkennbar, ob es sich bei dem gemeindlichen Einvernehmen um dasjenige nach § 36 BauGB oder um ein spezielles planerisches Element eigener Art handelte.

Nachdem bereits der 7. Senat des OVG Münster in seinem Urteil vom 10.11.2023 Zweifel an der Zielqualität von Ziel 10.2-13 LEP geäußert hatte (Az.: 7 A 1553/22), hat nun der 22. Senat mit eingehender Begründung die Zielqualität verneint noch bevor das Ziel überhaupt in Kraft getreten ist. Damit hat auch der Lenkungserlass vom 21.9.2023 seine Bedeutung jedenfalls in Genehmigungsverfahren verloren. Das OVG Münster hat mit nachvollziehbarer Begründung dargelegt, dass Ziel 10.2-13 LEP weder hinreichend bestimmt noch letztabgewogen ist. Man kann mit einiger Sicherheit prognostizieren, dass das Ziel 10.2-13 LEP in der jetzigen Fassung nicht in Kraft treten wird und der Lenkungserlass vom 21.9.2023 überarbeitet werden muss.

Offen ist derzeit, ob damit in vielen Kommunen bis zum Inkrafttreten des jeweiligen Regionalplanes (2025?) eine planerische Steuerung fehlt oder ob die Bezirksregierungen zum Schutz der in Aufstellung befindlichen Regionalpläne vermehrt mit dem Instrument des § 36 Abs. 2 LPlanungsG arbeiten und die Kreise zur Aussetzung laufender Verfahren anweisen. Absehbar ist jedoch, dass Ziel 10.2-13 LEP in Genehmigungsverfahren weder als Ziel noch als ein in Aufstellung befindliches Raumordnungsziel Bedeutung erlangt.

OVG Münster, Urteil vom 16.2.2024 – 22 D 150/22.AK –

Bei Fragen im Zusammenhang mit der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen können Sie sich gerne an Rechtsanwältin Dr. Anja Baars, Rechtsanwalt Dr. Martin Schröder und Rechtsanwalt Thomas Tyczewski wenden.  

Coffee-Talk