Neue OVG-Entscheidung zur Windenergie – auch § 36 Abs. 3 LPLanungsG NRW bietet Kommunen keinen Schutz vor ungewollten Standorten

Windenergie ist ein unverzichtbarer Baustein des Klimaschutzes. Der Bund hat deshalb das frühere Steuerungssystem für den Zubau von Windenergieanlagen (WEA) des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB über die Ausweisung von Konzentrationszonen wegen der unübersehbaren Schwierigkeiten der Umsetzung und der dadurch bedingten Ineffizienz durch ein Systemabgelöst, das in NRW zu einer Steuerung von WEA durch die Regionalpläne und die dort auszuweisenden Windenergiegebiete (WEB) führt. Diese müssen den vom Bund für die Länder und den vom Land NRW für die jeweilige Planungsregion in Raumordnungsplänen festgelegten Flächenbeitragswert erwirtschaften.

Die Systemumstellung führt zu einem planerischen Vakuum. Die Flächennutzungspläne der Städte und Gemeinden entfalten wegen ihrer festgestellten oder offenkundigen Mängel vielfach  keine Ausschlusswirkung mehr, die neuen Regionalpläne sollen erst 2025 in Kraft treten. In der Zwischenzeit droht mangels Steuerung ein Ausverkauf des Außenbereichs. Das Land hat die Sorgen der Kommunen gesehen und wollte ihnen durch das Raumordnungsziel 10.2-13 im Landesentwicklungsplan Rechnung tragen. Danach wären WEA nur in den Flächen künftiger WEB bzw. in kartographisch dargestellten Kernpotenzialflächen zulässig gewesen. Dieses Raumordnungsziel wäre unmittelbar in Genehmigungsverfahren anwendbar gewesen und hätte zu einer Ablehnung von Standorten außerhalb künftiger WEB des Regionalplans geführt. Das OVG NRW hat allerdings in seinem Urteil vom 16.2.2024 – 22 D 150/22.AK –  festgestellt, dass das Ziel 10.2-13 LEP NRW (Entwurf) die Anforderungen an ein Raumordnungsziel nicht erfüllt. Das Land hat ungeachtet dessen (!) das Ziel in Kraft gesetzt, aber selbst von seiner Anwendung abgeraten. Damit blieb das Vakuum planungsrechtlicher Steuerung von WEA für die meisten Kommunen in NRW.

Die Ersatzlösung des Landes wurde schnell mit einem neuen § 36 Abs. 3 LPlanungsG kreiert, welcher der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB nachgebildet ist. Danach kann die Bezirksregierung zum Schutz ihrer Regionalplanung die Kreise und kreisfreien Städte als untere Immissionsschutzbehörden anweisen, Genehmigungsverfahren befristet auszusetzen, wenn durch eine Anlagenzulassung die Regionalplanung unmöglich oder wesentlich erschwert wird. Auf diese Weise sollten WEA an nichtgewollten Standorten „auf Eis gelegt werden“, bis die neuen Regionalpläne in Kraft treten und dann Standorte außerhalb der dort festgelegten WEB unzulässig werden. Das Vorgehen des Landes und die dadurch bei den Kommunen geweckten Hoffnungen erweckten von Anfang an Zweifel – zu Recht. Das OVG Münster hat in einem Beschluss vom 26.9.2024 auch diesem Weg einen Riegel vorgeschoben, weil sich die landesrechtliche Regelung wohl nicht mit Bundesrecht vereinbaren lässt. Außerdem war nicht erkennbar, dass und warum WEA außerhalb künftiger WEB überhaupt die Regionalplanung erschweren sollten.

Aus Sicht der Kommunen ist das eine verheerende Situation. Jedenfalls bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne gibt es im Regelfall keine planerische Steuerung von WEA. Dieser Zustand soll nach den Plänen des Bundes weiter verschärft werden, der durch eine Änderung des § 249 Abs. 2 BauGB bis zum Inkrafttreten der WEB gestellten Genehmigungsanträge abweichend von der Regel den Status der Privilegierung erhalten will. Mit einer Fülle von Genehmigungsanträgen und vor allem von Vorbescheidsanträgen auf der Grundlage des neuen § 9 Abs. 1a BImSchG ist zu rechnen.

Ihre Ansprechpartner:innen: Dr. Anja Baars, Lisa Lückemeier, Dr. Martin Schröder, Thomas Tyczewski

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